Fragen zu stellen ist das A und O beim Kartenlegen. Egal um welches Problem es geht, wenn man eine Lösung finden möchte, ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen. Aber nicht nur darauf kommt es an, es ist auch nötig beharrlich zu sein und sich nicht mit der ersten besten Antwort zufrieden zu geben. Nur wer hartnäckig wieder und wieder nachfragt, bis er am Kern des Problems angelangt ist, kann eine wirklich nachhaltige Lösung für ein Problem erwarten.
Eltern werden diese Strategie zur Erkenntnisgewinnung vermutlich schon am eigenen Leib erlebt haben. In der Regel beginnen Kinder mit 3 oder 4 Jahren ihre Umwelt auf eine neue intensivere Art zu erforschen und dabei kommen natürlich jede Menge Fragen auf, die das Kind nicht für sich behalten möchte. Treffend wird dieser Entwicklungsabschnitt allgemein als Warum-Phase bezeichnet, denn das Kind erwidert dabei jede erdenkliche Antwort eines Erwachsenen prinzipiell mit der Anschlussfrage „warum?“.
Auch wenn so manche Eltern dadurch vielleicht schon in die Verzweiflung getrieben wurden und die Kreativität immer wieder auf eine große Probe gestellt wird, so hilft diese Methode doch dabei, einem Problem wirklich auf den Grund zu gehen und nicht vermeintliche Lösungen zu akzeptieren, die eigentlich gar keine sind.
Toyoda Sakichi, Erfinder und Gründer des späteren Weltkonzerns Toyota, hat genau diese kindliche Strategie zu einem Konzept weiterentwickelt, mit dem er in seiner Firma Produktionssysteme optimierte. Er nannte es das „Konzept der 5 Warum“ und definierte es kurz zusammengefasst auf die folgende Weise:
Wenn ein Problem auftritt, frage fünfmal warum, um die Ursache des Problems herauszufinden. Dann ändere den Ablauf so, dass das Problem nicht mehr auftreten kann.
Das System ist schnell erklärt und mag auf den ersten Blick sogar trivial klingen, aber es steckt viel dahinter und es lässt sich hervorragend auf die Arbeit mit den Lenormand Karten übertragen. Nimmt man sich die Zeit, die Fragen mit Bedacht zu stellen und zu ergründen, können die Ergebnisse überraschende Erkenntnisse offenbaren.
Die Vorgehensweise bei der 5W Methode
Das Problem detailliert beschreiben
Um einem Problem auf den Grund zu gehen, ist es zunächst einmal wichtig, dass es genau definiert wird. Je mehr Gedanken Sie sich vor dem Auslegen der Karten hierzu machen, desto schneller gehen Sie am Ende der Ursache auf den Grund.
Sammeln Sie alle Fakten, die Ihnen bereits bekannt sind und schreiben Sie sie auf. Um was für ein Problem handelt es sich und wie äußert es sich? Wann ist es zum ersten mal aufgetreten? Zeigt es sich durchgehend oder nur manchmal? Bei welchen Gelegenheiten tritt es auf? Gibt es Auslöser für die problematische Situation? Wer ist in die Schwierigkeiten verwickelt und welche Rolle spielen diese Personen dabei?
Beschreiben Sie Ihr Problem so detailliert wie möglich und versuchen Sie bei der Formulierung jegliche Annahmen zu vermeiden. Stützen Sie sich ausschließlich auf Fakten und ziehen Sie an dieser Stelle noch keine voreiligen Schlüsse. Dieser Prozess hilft Ihnen dabei, sich darüber klar zu werden, was es eigentlich genau ist, das Sie als Problem wahrnehmen.
Nehmen Sie dann die Erkenntnisse, die Sie aus diesem Prozess der Problembeschreibung gewonnen haben und versuchen Sie sie auf den Punkt zu bringen. Formulieren Sie Ihr Problem in Form einer klaren kurzen Aussage, für die Sie dann eine Ursache suchen.
Die Ursachenanalyse
Um jetzt der Ursache auf den Grund zu gehen, legen Sie zunächst die eine Karte als Startpunkt vor sich offen auf den Tisch, die Sie als Person repräsentiert, d.h. bei einem weiblichen Fragesteller die Karte 29 oder bei einem männlichen die Karte 28. Lassen Sie auf Ihrer Ablagefläche genügend Platz, damit nach und nach weitere sechs Reihen mit Karten darunter platziert werden können.
Dann verinnerlichen Sie noch einmal das Thema und fragen das erste mal: Warum? Im nächsten Schritt legen Sie drei Karten direkt unter die ausgelegte Startkarte und deuten diese Dreier-Reihe im Sinne einer Antwort auf das erste warum. Dann fragen Sie ein weiteres mal: Warum? Wieder legen Sie drei Karten in der nächsten Reihe aus und deuten sie. So fahren Sie insgesamt fünf mal fort.
Alternativ können Sie auch alle Karten in einem Schwung auslegen. Achten Sie dann aber darauf, ab der zweiten Karte zunächst alle verdeckt auszulegen und immer nur nach und nach jeweils die drei Karten aufzudecken, die die nächste Warum-Frage beantworten. Die aufgedeckten Karten der vorherigen Stufen sollen aber natürlich aufgedeckt bleiben. Es ist wichtig, dass Sie bei der Beantwortung einer Frage nicht schon von den Antworten der darauf folgenden Fragen beeinflusst werden, sondern immer nur die Karten offen vor sich liegen haben, die für die Beantwortung relevant sind.
Die Abstellmaßnahme
Zum Abschluss wird eine einzelne Karte am Ende des Kartenbildes ausgelegt. Sie gibt Ihnen jetzt einen Hinweis darauf, wie Sie das Problem abstellen können. Beziehen Sie dabei die Ergebnisse der vorherigen Karten bei der Deutung dieser einzelnen Karte mit ein.
So sollte das vollständige Kartenbild aussehen:
Ein Praxisbeispiel
Um die Vorgehensweise bei diesem Legesystem noch genauer darzustellen, möchte ich Ihnen hier ein Praxisbeispiel präsentieren. Es geht um eine Dame, die große Probleme mit der aufgrund der Corona Pandemie derzeit herrschenden Maskenpflicht hat. Sie stellt bei sich selbst sehr intensive negative emotionale und sogar auch sehr konkrete körperliche Reaktionen fest, wann immer sie gezwungen ist, die Maske zu tragen. Sie leidet unter diesem Zustand, findet aber kein Mittel dies zu überwinden.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es hier ausdrücklich nicht darum geht, ob eine Maskenpflicht sinnvoll ist oder nicht. Es geht ausschließlich darum, festzustellen, warum die Fragestellerin so eine intensive Reaktion zeigt und wie sie für sich selbst mit dieser Situation gelassener umgehen kann.
Wir legen nun die Karte 29 als Repräsentant für die Fragestellerin an Position 1 aus, beginnen mit der Problemanalyse und fragen:
Warum reagiert die Fragestellerin so intensiv auf die Maskenpflicht?
Bär, Herz, Ruten: Der Bär steht hier für die Macht und das Herz für die innigen Gefühle. Normalerweise eine überaus positive Kombination, aber sieht man sie im Zusammenhang mit der hier gestellten Frage, dann ist es ein klarer Hinweis darauf, dass vor allem die Wahrnehmung einer Machtausübung auf die Fragestellerin zu den negativen Gefühlen führt, die hier durch das Herz symbolisiert sind. Darüber hinaus legen die Ruten nahe, dass die Ratsuchende diese Machtausübung als Bestrafung wahrnimmt, oder zumindest als eine Form der intensiven Konfrontation mit einem äußeren Gegner im Sinne eines ausgeprägten Streits.
Hieraus ergibt sich nun die nächste Warum-Frage:
Warum empfindet die Fragestellerin die Maskenpflicht als Konflikt mit einer äußeren Macht, oder gar als Bestrafung?
Schlange, Schiff, Reiter: Die Schlange repräsentiert Komplikationen, das Schiff steht in diesem Zusammenhang für das Thema Freiheit und der Reiter ist ein Symbol dafür, Dinge in Bewegung zu bringen. Zentral ist hier ganz offensichtlich das Thema Freiheit. Die Fragestellerin empfindet die Maskenpflicht als Problem für ihre persönliche Bewegungsfreiheit.
An dieser Stelle zeigte sich nun, dass es manchmal überaus wichtig für die Deutung eines Kartenbildes sein kann, auch eine Rückmeldung der Fragestellerin mit einzubeziehen. Die Karte der Schlange steht nicht nur für Komplikationen, sie ist genauso ein Symbol für die Mutter. In diesem Fall äußerte die Ratsuchende, konfrontiert mit dem Thema Bewegungsfreiheit, dass sie in ihrer Kindheit von ihrer Mutter diesbezüglich sehr stark eingeschränkt wurde und sie das als große Belastung empfunden hat.
Wenn man diese Aussage der Fragestellerin mit in die Deutung einbezieht, wird deutlich, dass die drei Karten sich auf genau diese durch die Mutter eingeschränkte Freiheit beziehen. Es ist also sehr wahrscheinlich ein nicht verarbeitetes Kindheitserlebnis, dass sie die Maskenpflicht als Macht-Konflikt erleben lässt.
Wir fragen nun weiter:
Warum erlebte die Fragestellerin die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch ihre Mutter als so problematisch?
Blumen, Eulen, Haus: Die Blumen repräsentieren die Freude und die Eulen stehen für kleinere Sorgen und Trübsal. Zusammen kann man diese beiden Karten als getrübte Freude deuten. Das Haus wiederum steht für die Familie, d.h. getrübte Stimmung innerhalb der Familie. Es liegt also nahe, diese drei Karten im Kontext der Fragestellung so zu deuten, dass die Fragestellerin keine Harmonie im Kreis der Familie gespürt hat und ein großes Bedürfnis hatte, dieser Situation zu entfliehen. Durch die strenge Einschränkung dieser Freiheit durch die Mutter, erlebte die Ratsuchende die fehlende Freude und Harmonie als Belastung.
Auch wenn klar ist, dass niemand Disharmonie und Freudlosigkeit in der Familie als angenehm empfindet, fragen wir trotzdem weiter, um der eigentlichen Ursache des Problems auf den Grund zu gehen:
Warum empfand die Fragestellerin die fehlende Harmonie in der Familie als Belastung?
Schlüssel, Ring, Fuchs: Der Schlüssel steht für die Sicherheit, oder auch für Gewissheit und Zuverlässigkeit. Der Ring repräsentiert Beziehungen, aber auch Themen wie Bindung und Einheit. Der Fuchs symbolisiert die Falschheit.
Schlüssel und Ring bedeuten hier als Kombination, sich darauf verlassen zu können eine Einheit zu sein, eine sicher Bindung zu haben, in diesem Fall und in der Logik der Fragestellung, eine sichere Bindung zur Familie, bzw. sich darauf verlassen zu können mit der Familie eine Einheit zu bilden. Mit dem Fuchs als dritter Karte wird genau dies in Frage gestellt.
Man kann davon ausgehen, dass die Fragestellerin ein großes Bedürfnis danach hat, Teil einer größeren Einheit zu sein. Geborgenheit, Zuverlässigkeit und Sicherheit zu finden, stellen ein wichtiges Grundbedürfnis für die Ratsuchende dar. In der Familie konnte sie dies nicht finden und sie wurde durch die Mutter daran gehindert außerhalb der Familie danach zu suchen.
Wir fragen weiter:
Warum ist dieses Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit so wichtig für die Ratsuchende?
Störche, Sense, Sarg: Die Störche symbolisieren die Veränderung, den Umbruch. Die Sense ist vor allem ein Symbol für die Gefahr. Und der Sarg repräsentiert den großen Kummer, Leid und Unglück. In ihrer Gesamtheit zeigen diese drei Karten, dass die Fragestellerin Veränderungen als große Gefahr sieht und dahinter auf die eine oder andere Weise immer nur großes Leid erwartet.
In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, wenn die Ratsuchende ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität hat, die ihr eine feste und verlässliche Bindung bietet. Teil einer Einheit mit anderen Menschen zu sein, gibt ihr die Sicherheit, jede Veränderung meistern zu können.
Kommen wir nun mit dem hier erlangten Wissen dieser 5 Warum-Fragen zurück auf die ursprüngliche Frage, warum die Maskenpflicht so starke emotionale und körperliche Reaktionen auslöst, wird klar, wie der Wirkungszusammenhang aussieht und was dem Ganzen zugrunde liegt. Dieses Wissen alleine wird die Situation für die Fragestellerin noch nicht verbessern, aber es zeigt sehr gut auf, an welchen Themen sie ansetzen kann.
Schauen wir uns nun zuletzt noch die abschließende Einzelkarte an, die einen Hinweis auf die mögliche Abstellmaßnahme gibt.
Kreuz: Das Kreuz ist vor allem ein Symbol des Glaubens. Im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Fragestellung und den gefundenen Antworten, geht es sehr wahrscheinlich nicht um den Glauben in einem religiösen Sinne, sondern es geht für die Fragestellerin darum, den Glauben an sich selbst zu finden. Sich bewusst zu machen, jede Veränderung meistern zu können. Hilfreich kann dabei auch sein, sich zu erinnern, wie vielen einschneidenden Veränderungen sie in ihrem Leben vielleicht schon begegnet ist und wie gut sie sie letztlich alle gemeistert hat.
Vor- und Nachteile der 5W Methode
Ein großer Nachteil dieser Methode ist die Geradlinigkeit, d.h. es wird ein geradliniger Ursache-Wirkungs-Zusammenhang angenommen. In der Realität ist es aber häufig so, dass es gegenseitige Wechselwirkungen gibt oder eine Wirkung auch mehrere unterschiedliche Ursachen haben kann und nicht nur eine einzelne.
Dennoch ist die 5W Methode sehr hilfreich, um ein Gefühl für die kausalen Zusammenhänge eines Problems zu bekommen. Gerade die Annahme linearer Einfachheit führt dazu, auch komplexe Probleme besser zu verstehen und sich nicht in unendlichen Wechselwirkungen einzelner Teilaspekte zu verlieren.
Die Fokussierung auf jeweils eine einzelne Ursache und deren konsequente Vertiefung, schärft den Blick für ein lösungsorientiertes Denken.
Das 5W-Legesystem wurde entwickelt von Patrick Scheller, basierend auf dem „Konzept der 5 Warum“ von Toyoda Sakichi.