In diesem Beitrag widme ich mich heute der Frage, was genau Spiegelkarten im Lenormand sind und wie man sie deuten kann.
Wie werden die Spiegelkarten bestimmt?
Beim Spiegeln geht es darum zwei Karten miteinander in Verbindung zu bringen, die sich in der großen Tafel genau gegenüberliegen. Da in jedem Kartenbild zwei Achsen existieren, eine horizontale und eine vertikale, kann man auch von jeder Ausgangskarte entsprechend zwei Spiegelkarten ableiten.
Betrachten wir uns an dieser Stelle ein Beispiel:
In diesem Schaubild gehen wir von der Karte an der Position 3 aus. Möchten wir hierzu die entsprechenden Spiegelkarten bestimmen, spiegeln wir zunächst an der vertikalen Achse und gelangen so zur Karte an der Position 6. Dann spiegeln wir an der horizontalen Achse und erreichen die Karte an der Position 27.
Eine besondere Situation finden wir nun bei den letzten vier Karten. Hier ist eine Spiegelung an zwei Achsen nicht mehr möglich. Die Karten an den Positionen 33 bis 36 spiegeln lediglich mit den Karten ihrer eigenen Reihe. Das bedeutet Position 33 spiegelt sich in Position 36 und Position 34 spiegelt sich in Position 35.
Wie werden die Spiegelkarten gedeutet?
Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen für die Deutung der Spiegelkarten. Bei der am weitesten verbreiteten Methode bildet man entweder zwei 2er Kombinationen aus der Ursprungskarte mit der jeweiligen Spiegelkarte oder eine 3er Kombination aus allen drei Karten und deutet sie in dieser Weise. In unserem obigen Beispiel würde man also für die Karte an Position 3 als Ursprungskarte, zu zwei 2er Kombinationen kommen: 3/6 und 3/27. Oder auch zu einer 3er Kombination: 3/6/27.
Die zweite Möglichkeit aus den Spiegelkarten eine Information heraus zu ziehen besteht darin, die beiden Spiegelkarten untereinander zu einer 2er Kombination zu verbinden, zu deuten und erst dann mit der Ursprungskarte in Verbindung zu bringen. D.h. man würde in diesem Fall die Karten 6 und 27 zu einer Kombination zusammensetzen und deuten. Ich verwende bei meinen eigenen Deutungen genau diese Methode.
Was sagen die Spiegelkarten aus?
Ein Spiegel ist definitionsgemäß eine reflektierende Fläche, sie wirft das auf sie treffende Licht zurück und lässt auf diese Weise ein Abbild der Realität entstehen. In spiritueller Hinsicht ist alles, was ein Mensch erlebt das Spiegelbild seines eigenen Inneren. Alle Umstände, denen man sich ausgesetzt sieht, jeder Mensch, dem man begegnet und jede Situation mit der man konfrontiert wird, stellen nichts weiter dar als die Reflektion der eigenen Gedanken und Gefühle. Der Weg durch das Leben ist im Grunde der Weg durch das eigene Innere und jede Wahrnehmung der vermeintlich äußeren Realität trägt eine entsprechende Botschaft in sich.
In diesem Sinne ist es nun die Funktion des Spiegels, den Menschen auf das aufmerksam zu machen, was er nicht sehen kann oder will. Es geht dabei vor allem um die Gefühle, die eine erlebte Situation in uns hervorruft und nicht so sehr um eine intellektuelle Analyse der äußeren Umstände. Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen:
Wenn ich im Auto auf der Suche nach einem Parkplatz unsagbar wütend werde, wenn mir jemand den Platz wegnimmt, den ich doch zuerst gesehen hatte und für den ich auch zuerst den Blinker gesetzt hatte, dann sagt diese Wut, die ich empfinde, etwas über mich persönlich und mein Inneres aus. Oberflächlich betrachtet könnte man schließen, dass die Person, die um den Parkplatz gebracht wurde, auch selbst gerne mal anderen etwas wegnimmt, was ihr eigentlich nicht zusteht. So bekommt sie den Spiegel vorgehalten. Das ist jedoch in den allermeisten Fällen zu kurz gegriffen und oft auch grundlegend falsch.
In Wirklichkeit kann diese emotionale Eskalation für ganz viele sehr unterschiedliche Ursachen stehen. Vielleicht ist es Hilflosigkeit, die ich in dem Moment empfinde, das Gefühl die Kontrolle zu verlieren. Es könnte auch die Angst sein, das mir jemand etwas wegnimmt. Möglicherweise bin ich auch einfach neidisch darauf, dass ein anderer etwas bekommen hat, was ich nicht habe. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die auf seelischer Ebene hinter dem Erleben der Wut in dieser Situation stehen können. In jedem Fall ist es aber die Seele, die diese Situation kreiert hat, um in uns ein bestimmtes Gefühl zu aktivieren und das Bewusstsein damit auf einen ganz bestimmten Aspekt des Daseins zu leiten.
Erst über das Verständnis dieses Gefühls, ist es möglich die Botschaft des Spiegels wirklich zu entschlüsseln. An dieser Stelle kommen wir zurück zur Deutung der Lenormand Karten, denn genau diese Botschaft vermitteln die Spiegelkarten. Sie geben einen Hinweis darauf, was wirklich hinter einem Erlebnis steckt. Sie spiegeln das Gefühl, das eben diese Situation erzeugt hat. Diese Information alleine beantwortet zwar in der Regel nicht die gestellte Frage, aber sie setzt alles andere in eine gewisse Perspektive und gibt einen Anhaltspunkt für weitere Nachforschungen.
Ein Beispiel aus der Praxis
Bei diesem Kartenbild ging es um eine Frau, die um Geld betrogen wurde und der diese Tatsache sehr zu schaffen machte. Die Fragestellerin ist die Karte Nummer 29. Die Karte, die ich vor dem Auslegen als Signifikator für die Geldfrage festgelegt hatte, ist die Karte 34, also die Fische.
Die zu den Fischen gehörigen Spiegelkarten, die sich dann im ausgelegten Kartenbild zeigten, sind die Lilien (Karte 30) und die Ruten (Karte 11). Bei der Frage ging es natürlich zunächst darum, wie das ganze für die Fragestellerin ausgehen würde und was sie tun könnte, um die Situation für sich zu verbessern. Ich möchte an dieser Stelle aber natürlich nicht das gesamte Kartenbild deuten, sondern lediglich kurz darstellen welchen Beitrag die Spiegelkarten hier zur Beantwortung beitragen konnten.
Betrachten wir zunächst die Spiegelkarten einzeln und sehen uns an, welche Bedeutung sie im Sinne einer Deutung als Emotion annehmen können. Nicht jeder Kartenleger wird meine Deutung der Lilie teilen, aber ich sehe die Lilien, insbesondere wenn ich ein Kartendeck mit roten Lilien verwende, als Symbol für das Gefühl von Wut und Zorn. Bei den Ruten, typischerweise ein Symbol für den Streit und für die Bestrafung, geht es aus emotionaler Sicht vor allem um das Thema Schuld und Sühne. Entweder ist es ein Gefühl immer an allem Schuld zu sein, was gerade nicht gut läuft, oder aber auch das Gefühl immer anderen die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen und selber frei von Schuld zu sein.
In diesem Fall war es so, dass die Fragestellerin in der Tat eine enorme Wut über den Betrug verspürte, und sich selbst die Schuld daran gab, dass diese Situation überhaupt entstanden war. Ob das dann auch tatsächlich so der Realität entsprach oder nicht, ist letztlich unerheblich. Das Entscheidende ist für die Betroffene nur das Gefühl, das in dieser Situation entstanden ist, wahrzunehmen. Dieses Gefühl soll die Fragestellerin auf ein Problemfeld oder vielleicht eine alte Wunde in ihrem eigenen Leben hinweisen. Es geht darum etwas bewusst zu machen und dazu zu animieren einen bestimmten Bereich im Inneren zu erkunden.
Mit dieser Information hat man jetzt die Möglichkeit innerhalb der großen Tafel, von den Spiegelkarten ausgehend, weiter zu forschen. Betrachten wir uns z.B. die Ruten, dann erkennen wir in den umliegenden Karten, dass das Thema Schuld und Sühne mit dem Vater (Bär) zu tun hat und es dabei um Liebe und Wertschätzung (Herz) geht, bzw. das Nichtvorhandensein (Turm) ebensolcher. Auch eine Abgrenzung vom Vater (Turm und Bär) hat in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt. Wir sehen großen Kummer (Sarg), der damit verbunden ist und wir sehen, dass Vater und Tochter sich dieses Aspektes offenbar gar nicht bewusst sind (Buch) bzw. auch den Kummer darüber gar nicht erst zulassen (Sarg und Buch).
Auf die gleiche Weise lässt sich auch der Teilaspekt der Wut (Lilien) weiter untersuchen. Immer ergeben sich dann aus den Antworten, die man findet, weitere Fragen, die zu weiteren Kartenkombinationen führen. Auf diese Weise lässt sich, ausgehend von den Spiegelkarten, Schritt für Schritt der seelische Aspekt einer Fragestellung untersuchen. Am Ende entsteht dann im Dialog mit der Fragestellerin im besten Fall das Gefühl etwas verstanden zu haben.